Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Entgegen der Annahme, man müsse für neue Fortschritte das Training ständig komplett umwerfen, liegt der Schlüssel zur Überwindung von Plateaus in der präzisen, systematischen Anpassung bestehender Pläne.

  • Stagnation entsteht nicht durch fehlende, sondern durch chaotische und unstrukturierte Variation.
  • Die gezielte Manipulation von Methoden (z.B. Tempo, Pausen) ist oft effektiver als der blosse Austausch von Übungen.

Empfehlung: Analysieren Sie Ihr Training auf Basis von Leistungsmeilensteinen statt Zeitplänen und ersetzen Sie zufällige Änderungen durch einen strategischen 3-Wochen-Variationszyklus.

Sie trainieren seit Monaten konsequent, verfolgen Ihren Plan mit Schweizer Präzision, doch die Waage bewegt sich nicht mehr und die Gewichte auf der Hantel werden auch nicht schwerer. Diese Frustration, bekannt als Trainingsplateau, ist eines der demotivierendsten Erlebnisse für jeden ambitionierten Sportler. Die üblichen Ratschläge sind schnell zur Hand: «Nimm einfach andere Übungen», «Trainiere noch härter» oder «Mach mal eine Pause». Doch oft führen diese gut gemeinten Tipps entweder zu einem chaotischen, unproduktiven Training oder ignorieren die wahre Ursache des Problems.

Die Realität ist, dass der menschliche Körper eine unglaublich effiziente Anpassungsmaschine ist. Er gewöhnt sich an Reize, um Energie zu sparen. Ein Trainingsplan, der anfangs für grossartige Ergebnisse sorgte, wird so nach einiger Zeit zu blossem «Grundrauschen» für Ihre Muskulatur. Doch was, wenn die Lösung nicht darin liegt, das gesamte System über Bord zu werfen, sondern es intelligent zu justieren? Was, wenn der wahre Durchbruch nicht in komplett neuen Übungen, sondern in der subtilen, aber gezielten Manipulation von Trainingsmethoden liegt?

Dieser Artikel bricht mit der Vorstellung, dass mehr Variation automatisch besser ist. Stattdessen stellen wir einen systematischen Ansatz vor, der auf gezielter Abwechslung innerhalb einer stabilen Struktur basiert. Wir zeigen Ihnen, wie Sie die Hierarchie der Trainingsreize verstehen, leistungsbasierte Meilensteine für Übungswechsel definieren und Intensitätstechniken strategisch einsetzen, um Ihre Stagnation nicht nur zu durchbrechen, sondern zukünftige Plateaus von vornherein zu vermeiden. Entdecken Sie, wie Sie Ihr Training von einem Zustand der Stagnation in eine Phase kontinuierlicher, messbarer Fortschritte verwandeln.

Um Ihnen einen klaren Weg durch diese Strategien zu bieten, haben wir den Artikel in logische Abschnitte gegliedert. Die folgende Übersicht zeigt Ihnen, wie wir das Problem analysieren und Ihnen konkrete, umsetzbare Lösungen an die Hand geben.

Inhaltsverzeichnis: Der Weg aus der Stagnation

Warum funktioniert Ihr Trainingsplan nach 2 Monaten plötzlich nicht mehr?

Die ernüchternde Antwort liegt im biologischen Prinzip der Adaptation. Ihr Körper ist darauf programmiert, so effizient wie möglich zu arbeiten. Ein Trainingsreiz, der anfangs eine starke Anpassungsreaktion (Muskel- und Kraftaufbau) auslöst, wird mit der Zeit zur Routine. Typischerweise tritt diese Stagnation nicht erst nach Monaten, sondern oft schon nach wenigen Wochen ein. Erste Anzeichen eines Leistungsplateaus können bereits nach 3-4 Wochen auftreten, wenn die Belastung identisch bleibt. Der Körper hat den Code Ihres Trainings „geknackt“ und sieht keine Notwendigkeit mehr für weitere Anpassungen.

Dieses Phänomen wird durch das Gesetz der abnehmenden Ertragszuwächse verschärft. Immer mehr vom Gleichen zu machen, führt nicht zu proportional mehr Ergebnis. Im Gegenteil: Eine aktuelle Studie aus 2024 belegt, dass nach 2-3 Sätzen pro Übung bereits abnehmende Erträge («diminishing returns») zu beobachten sind. Mehr Sätze führen dann primär zu mehr Ermüdung, aber nicht zu einem signifikant grösseren Wachstumsreiz. Das heisst, einfach nur das Volumen zu erhöhen, ist oft eine Sackgasse.

Achten Sie auf diese konkreten Frühwarnsignale, die anzeigen, dass Ihr Plan seine Wirkung verliert:

  • Kraftstagnation: Sie können die Trainingsgewichte bei Ihren Hauptübungen über 3-4 Wochen nicht steigern.
  • Fehlende Körperveränderungen: Trotz konsequentem Training und korrekter Ernährung sehen Sie keine optischen Fortschritte mehr im Spiegel oder auf der Waage.
  • Chronische Müdigkeit: Sie fühlen sich oft schlapp und die Motivation für das nächste Training sinkt spürbar.
  • Ausbleibender Muskelkater: Selbst nach intensiven Einheiten spüren Sie kaum noch eine muskuläre Reaktion am Folgetag, was auf eine zu starke Gewöhnung hindeutet.

Wenn Sie eines oder mehrere dieser Signale bei sich feststellen, ist das kein Grund zur Verzweiflung, sondern ein klares Zeichen: Es ist Zeit für eine intelligente Veränderung, nicht für blinden Aktionismus.

Wie Sie alle 3 Wochen Reize variieren ohne die Grundübungen aufzugeben?

Der grösste Fehler bei der Trainingsvariation ist die Annahme, man müsse ständig die Kernübungen wie Kniebeugen, Kreuzheben oder Bankdrücken austauschen. Diese Grundübungen sind das Fundament Ihres Fortschritts. Der Schlüssel liegt darin, nicht die Übung selbst, sondern die Art der Ausführung zu variieren. Durch gezielte Anpassungen von Parametern wie Tempo, Pausenzeiten oder Wiederholungsbereichen können Sie dem Körper alle paar Wochen einen neuen, unerwarteten Reiz geben, ohne die bewährte Struktur zu opfern.

Dieses Vorgehen nennen wir Präzisions-Tuning. Statt den Motor auszutauschen, justieren Sie die Zündung neu. Ein einfacher, aber extrem wirkungsvoller Ansatz ist ein 3-Wochen-Zyklus, bei dem jede Woche ein anderer Aspekt der Übung im Fokus steht. Dies zwingt Ihr neuromuskuläres System, sich immer wieder neu anzupassen und durchbricht die Monotonie.

Detailaufnahme von Trainingsgeräten mit unterschiedlichen Griffen und Winkeln, die verschiedene Reize symbolisieren

Die folgende Tabelle zeigt ein konkretes Beispiel für einen solchen 3-Wochen-Block am Beispiel einer Grundübung. Dieser Zyklus kann für alle Ihre Hauptübungen angewendet werden, um eine systematische und planbare Variation zu gewährleisten.

3-Wochen-Periodisierung für Grundübungen
Woche Fokus Wiederholungen Tempo
Woche 1 Tempo-Fokus 8-10 4 Sek. ablassen (exzentrisch)
Woche 2 Pause-Reps 6-8 2 Sek. Pause am tiefsten Punkt
Woche 3 Explosive Kraft 4-6 Schnelle konzentrische Phase

Durch diese Methode behalten Sie die Übung bei, die Sie meistern wollen, verändern aber den Reiz so fundamental, dass der Körper keine Chance hat, in einen Autopilot-Modus zu verfallen. Sie bauen Kraft, Hypertrophie und neuronale Effizienz in einem einzigen Block auf.

Neue Übungen oder neue Methoden: Was durchbricht Plateaus effektiver?

Wenn die Stagnation einsetzt, lautet die zentrale Frage: Soll ich eine neue Übung wählen oder die Methode der aktuellen Übung ändern? Die Antwort liegt im Verständnis der Reiz-Hierarchie. Oft ist die Umstellung der Methode (z.B. die Einführung von geschwindigkeitsbasiertem Training) ein weitaus potenterer Reiz als der blosse Austausch einer Brustübung durch eine andere.

Das Konzept des „Stimulus-to-Fatigue Ratio“ (SFR) hilft bei dieser Entscheidung. Es bewertet eine Änderung danach, wie viel Wachstumsreiz (Stimulus) sie im Verhältnis zur erzeugten Ermüdung (Fatigue) erzeugt. Hat Ihre Stagnation technische Ursachen – zum Beispiel eine ineffiziente Bewegungsausführung unter Ermüdung –, ist die Anwendung einer neuen Methode bei gleicher Übung oft überlegen. So können Sie an der Technik feilen, ohne den Körper durch eine komplett neue, ungewohnte Bewegung zu überlasten.

Fallbeispiel: Geschwindigkeitsbasiertes Training (VBT)

Anstatt von Kniebeugen auf Beinpresse zu wechseln, könnten Sie bei den Kniebeugen bleiben, aber Ihr Training nach der Bewegungsgeschwindigkeit steuern. Das Ziel ist nicht mehr „8 Wiederholungen“, sondern „so viele Wiederholungen wie möglich, bis die Hantelgeschwindigkeit um 20% abfällt“. Dieser Ansatz optimiert den Reiz in jedem einzelnen Satz. Eine Schweizer Metaanalyse von 2023 zeigt, dass VBT mit einer Geschwindigkeitsverlustschwelle von 10-20% überlegenes Anpassungspotenzial für Kraft und Explosivität bietet. Dies ist ein Paradebeispiel für eine methodische Änderung mit hohem Stimulus und kontrollierbarer Ermüdung.

Neue Übungen sind dann die bessere Wahl, wenn Sie ein klares Kraftdefizit in einer unterstützenden Muskelgruppe identifiziert haben. Stagniert Ihr Bankdrücken beispielsweise, weil Ihr Trizeps zu schwach ist, ist die Hinzunahme einer spezifischen Trizeps-Assistenzübung (wie enge Dips) sinnvoller als eine weitere Brust-Variante.

Warum machen Sie keine Fortschritte wenn Sie jedes Training komplett anders gestalten?

Der Trugschluss, dass maximale Abwechslung zu maximalem Fortschritt führt, ist weit verbreitet. Doch ein Training ohne Struktur und Konsistenz ist wie der Versuch, eine Sprache zu lernen, indem man jeden Tag eine neue wählt. Man lernt von allem ein bisschen, aber nichts richtig. Echter Fortschritt, besonders im Kraftsport, basiert auf dem Prinzip der progressiven Überladung, und diese erfordert messbare, konsistente Datenpunkte. Wenn Sie jede Woche die Übungen wechseln, haben Sie keine Basis, um eine Steigerung zu messen.

Ein Sportwissenschaftler fasst dieses Dilemma treffend zusammen, wie in einer Analyse von Simply Progress dargelegt wird:

Man kann nicht erwarten, ein virtuoser Geiger zu werden, wenn man jede Woche das Instrument wechselt.

– Sportwissenschaftliche Analogie, Simply Progress

Diese Analogie verdeutlicht: Meisterschaft entsteht durch Wiederholung und schrittweise Perfektionierung, nicht durch ständiges Springen zwischen verschiedenen Aufgaben. Systematische Variation bedeutet, einen stabilen Rahmen beizubehalten (ca. 80% Ihrer Übungen) und nur einen kleinen Teil (ca. 20%) gezielt auszutauschen, um neue Reize zu setzen oder Schwachstellen zu bearbeiten. Dieser Ansatz liefert die nötige Konsistenz für messbaren Fortschritt und gleichzeitig die nötige Abwechslung, um Plateaus zu vermeiden.

Ihr Plan für systematische Variation statt Chaos

  1. Trainingstagebuch führen: Dokumentieren Sie akribisch jede Trainingseinheit – Übungen, Gewichte, Sätze, Wiederholungen und Ihr Gefühl dabei (z.B. RPE).
  2. 80/20-Regel anwenden: Behalten Sie 80% Ihrer Grund- und Hauptassistenzübungen über einen Zyklus von mindestens 4-6 Wochen bei.
  3. Gezielt variieren: Tauschen Sie nur 20% des Plans aus, z.B. eine Isolationsübung oder durch die Anwendung einer neuen Intensitätstechnik auf eine bestehende Übung.
  4. Fortschritt messen: Analysieren Sie Ihre Daten. Steigern Sie sich in den 80% der konstanten Übungen? Nur so erkennen Sie, ob eine Variation funktioniert.
  5. Schwachstellen identifizieren: Nutzen Sie die konsistenten Daten, um festzustellen, wo Sie wirklich stagnieren (z.B. bei einer bestimmten Wiederholungszahl oder am untersten Punkt der Bewegung).

Ein chaotischer Plan gibt Ihnen keine verwertbaren Informationen. Ein systematischer Plan liefert Ihnen eine Landkarte Ihres Fortschritts und zeigt genau, wo die nächste Anpassung erfolgen muss.

Wann ersetzen Sie Bankdrücken durch Dips: Nach 6 oder nach 12 Monaten?

Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für einen Übungswechsel sollte niemals durch einen starren Zeitplan, sondern durch leistungsbasierte Meilensteine beantwortet werden. Einen so fundamentalen Bewegungsablauf wie das Bankdrücken nach X Monaten zu ersetzen, nur weil der Kalender es sagt, ist ineffizient. Sie würden ja auch nicht aufhören, Vokabeln zu lernen, nur weil ein Monat vorbei ist. Der Wechsel wird erst dann sinnvoll, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Sie haben einen respektablen Kraftstandard erreicht UND der Fortschritt stagniert nachweislich über mehrere Wochen.

Ein bewährter leistungsbasierter Meilenstein für das Bankdrücken ist beispielsweise das Erreichen von 1.25x des eigenen Körpergewichts für einige saubere Wiederholungen. Wenn Sie diesen Punkt erreicht haben und sich über 4-6 Wochen trotz methodischer Anpassungen nicht mehr steigern, ist der Moment für einen strategischen Wechsel gekommen. Ein 6-8-wöchiger Trainingsblock mit Dips kann dann Wunder wirken, da er die Schultergelenke anders belastet und vor allem die untere Brust und den Trizeps auf eine neue Weise fordert.

Die folgende Gegenüberstellung verdeutlicht die unterschiedlichen Profile der beiden Übungen und hilft bei der Entscheidung.

Bankdrücken vs. Dips – Eine strategische Gegenüberstellung
Übung Primäre Muskulatur Schulterbelastung Wechselempfehlung
Bankdrücken Mittlere Brust, vordere Schulter Hoch bei Impingement-Neigung Stagnation nach Erreichen von z.B. 1.25x KG
Dips (vorgebeugt) Untere Brust, Trizeps Moderat, anderer Winkel Als 6-8 Wochen Zyklus zur Entlastung & neuen Reizsetzung
Dips (aufrecht) Trizeps dominant Gering Als reine Assistenzübung für den Trizeps

Dieser Ansatz verwandelt den Übungswechsel von einer willkürlichen Entscheidung in einen logischen, datengestützten Schritt Ihrer langfristigen Trainingsplanung. Sie wechseln nicht aus Verzweiflung, sondern aus strategischer Voraussicht.

Wie Sie mit 4 Intensitätstechniken stagnierende Kraft wieder zum Wachsen bringen?

Wenn die progressive Steigerung des Gewichts an ihre Grenzen stösst, sind Intensitätstechniken eine exzellente Methode, um die Trainingsdichte und den metabolischen Stress zu erhöhen. Sie zwingen die Muskulatur, über den Punkt des muskulären Versagens hinaus zu arbeiten. Doch Vorsicht: Diese Techniken sind wie ein starkes Medikament. Falsch dosiert, führen sie schnell zu Übertraining. Der Schlüssel ist, ihren Recovery-Cost – also die Kosten für die Regeneration – zu verstehen und sie gezielt einzusetzen.

Weitwinkelaufnahme eines modernen Schweizer Trainingsbereichs mit Stationen für verschiedene Intensitätstechniken

Gerade in der Schweiz, wo die Qualität der Fitnessinfrastruktur hoch ist, lassen sich diese Techniken hervorragend umsetzen. Anstatt sie willkürlich anzuwenden, sollten Sie sie als Werkzeuge für spezifische Zwecke betrachten. Hier sind vier bewährte Techniken, bewertet nach ihrem Recovery-Cost (1=niedrig, 3=hoch), um Ihnen bei der strategischen Auswahl zu helfen:

  • Supersätze (Recovery-Cost 1/3): Kombination von zwei Übungen (oft für gegensätzliche Muskelgruppen) ohne Pause dazwischen. Ideal, um Zeit zu sparen und die Trainingsdichte zu erhöhen, ohne das zentrale Nervensystem übermässig zu belasten. Beste Anwendung: Am Ende des Trainings für Arme oder Schultern.
  • Rest-Pause-Sätze (Recovery-Cost 2/3): Führen Sie einen Satz bis zum Versagen aus, machen Sie 15-20 Sekunden Pause und absolvieren dann mit demselben Gewicht weitere Wiederholungen. Dies maximiert die Rekrutierung von Muskelfasern und ist exzellent für den neuronalen Kraftaufbau. Beste Anwendung: Bei schweren Grundübungen für den letzten Satz.
  • Cluster-Sätze (Recovery-Cost 2/3): Ein traditioneller Satz wird in mehrere Mini-Sätze (Cluster) mit kurzen Pausen (10-30 Sek.) unterteilt. Ermöglicht mehr Gesamtvolumen mit einem schweren Gewicht und fördert den Kraftaufbau. Beste Anwendung: Für Kraftaufbauphasen bei Kniebeugen oder Bankdrücken.
  • Drop-Sätze (Recovery-Cost 3/3): Nach dem Erreichen des Muskelversagens wird das Gewicht sofort reduziert und der Satz fortgesetzt. Diese Technik erzeugt enormen metabolischen Stress und sollte sehr sparsam eingesetzt werden. Beste Anwendung: Bei Isolationsübungen für kleinere Muskelgruppen wie Bizeps-Curls oder Seitheben.

Wenden Sie pro Trainingseinheit maximal eine hochintensive Technik (Recovery-Cost 2-3) für eine Muskelgruppe an, um die Regeneration nicht zu gefährden und nachhaltige Fortschritte zu sichern.

Wann wechseln Sie von „mehr Gewicht“ zu „bessere Form“ als Erfolgsmetrik?

Die ewige Jagd nach „mehr Gewicht“ auf der Hantel ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist progressive Überladung der Schlüssel zum Erfolg, andererseits führt sie oft zu einer schleichenden Verschlechterung der Technik – dem sogenannten „Ego-Lifting“. Der strategische Wechsel des Fokus von reiner Last zu qualitativer Ausführung ist ein Zeichen von Trainingsreife. Moderne Metriken wie RPE (Rate of Perceived Exertion) und RIR (Reps in Reserve) bilden die Brücke zwischen diesen beiden Welten.

RPE ist eine Skala von 1-10, die Ihre subjektive Anstrengung bewertet. RIR gibt an, wie viele Wiederholungen Sie „im Tank“ hatten. Das Ziel verschiebt sich: Statt „100 kg heben“ lautet es „100 kg mit RPE 8 heben“, was bedeutet, dass Sie noch 2 saubere Wiederholungen (RIR 2) hätten machen können. Dieser Ansatz stellt sicher, dass die Form sauber bleibt, da eine schlechte Technik die Anstrengung künstlich erhöhen würde.

Der Ansatz des qualitativen Fortschritts

Ein Artikel im Tages-Anzeiger, der sich auf grossangelegte Studien bezieht, betont die Wichtigkeit der Trainingsqualität. In einer Akkumulationsphase (Fokus auf Volumen/Hypertrophie) sollte die Priorität auf einer perfekten Form und einem Ziel-RPE von 7-8 liegen. In einer Intensivierungsphase (Fokus auf Maximalkraft) darf das RPE auf 9-9.5 steigen, aber auch hier gibt RIR den Rahmen vor. Der Fortschritt besteht dann nicht nur darin, mehr Gewicht zu bewegen, sondern auch darin, dass sich dasselbe Gewicht leichter anfühlt (niedrigeres RPE) oder Sie mehr Wiederholungen bei gleichem RPE schaffen.

Der Wechsel von Gewicht zu Form als primäre Metrik ist besonders in folgenden Situationen sinnvoll:

  • Nach einer Verletzung, um die Bewegungsmuster neu und sicher zu erlernen.
  • Wenn Sie trotz Kraftsteigerung keine optischen Fortschritte in der Zielmuskulatur sehen (ein Zeichen, dass andere Muskeln kompensieren).
  • Wenn Sie sich nach schweren Trainingseinheiten wiederholt in den Gelenken und nicht in den Muskeln spüren.

Diese Neuausrichtung ist kein Rückschritt, sondern eine Investition in langfristige, verletzungsfreie Leistungsfähigkeit.

Das Wichtigste in Kürze

  • Trainingsplateaus sind eine natürliche Folge der körperlichen Adaptation an wiederkehrende Reize.
  • Systematische Variation (z.B. durch 3-Wochen-Zyklen) ist effektiver als chaotischer Aktionismus.
  • Leistungsbasierte Meilensteine (z.B. 1.25x Körpergewicht) sind Zeitplänen für Übungswechsel überlegen.

Wie Sie die 7 Frühwarnzeichen von Übertraining erkennen bevor es zu spät ist?

Die Grenze zwischen optimalem Reiz und schädlicher Überlastung ist schmal. Ein Plateau kann nicht nur aus zu wenig, sondern auch aus zu viel Training resultieren. Während ein Trainingsplateau frustrierend ist, ist das funktionelle Übertraining (Overreaching) oder gar das nicht-funktionelle Übertraining (Overtraining Syndrome) ein ernsthaftes Problem, das wochen- oder monatelange Regeneration erfordern kann. Die Fähigkeit, die subtilen Frühwarnzeichen zu erkennen, ist entscheidend für langfristigen Erfolg.

Dabei ist die Qualität des Trainings ein zentraler Faktor. Wie die Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen (EHSM) bestätigt, führt qualitativ hochwertiges Krafttraining zu einer verbesserten neuromuskulären Leistungsfähigkeit und Robustheit. Ein Fokus auf Qualität ist also die beste Prävention gegen Überlastung. Achten Sie auf die folgenden sieben Warnsignale, die oft in Kombination auftreten und signalisieren, dass Sie dringend eine Deload-Woche oder eine Pause einlegen sollten:

  1. Anhaltende Leistungsregression: Ihre Kraftwerte sinken über mehrere Trainingseinheiten hinweg, obwohl Sie sich anstrengen.
  2. Gestörter Schlaf: Sie haben Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen, obwohl Sie körperlich erschöpft sind.
  3. Erhöhte Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen: Sie fühlen sich grundlos gestresst, ungeduldig oder emotional labil.
  4. Anhaltender Muskel- und Gelenkschmerz: Normale Muskelschmerzen weichen einem tiefen, nagenden Schmerz, der auch an trainingsfreien Tagen nicht verschwindet.
  5. Erhöhte Infektanfälligkeit: Sie fangen sich eine Erkältung nach der anderen ein, ein klares Zeichen für ein geschwächtes Immunsystem.
  6. Verlust der Trainingsmotivation (Apathie): Die Freude am Training weicht einem Gefühl der Pflicht oder sogar des Widerwillens.
  7. Erhöhter Ruhepuls: Ihr Puls am Morgen direkt nach dem Aufwachen ist über mehrere Tage hinweg um 5-10 Schläge pro Minute erhöht.

Das Ignorieren dieser Zeichen in der Hoffnung, „durchzubeissen“, ist die schnellste Route in eine lange, erzwungene Trainingspause. Ein intelligenter Athlet hört auf seinen Körper und versteht, dass Regeneration ein aktiver und produktiver Teil des Trainingsprozesses ist.

Die Fähigkeit, diese Warnsignale frühzeitig zu erkennen, unterscheidet den erfahrenen Sportler vom verbissenen Anfänger.

Jetzt, da Sie die Werkzeuge zur Analyse und Überwindung von Plateaus sowie zur Prävention von Übertraining kennen, besteht der nächste Schritt darin, Ihr eigenes Training einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Beginnen Sie noch heute damit, einen systematischen Ansatz in Ihre Planung zu integrieren, um wieder kontinuierliche und messbare Fortschritte zu erzielen.

Geschrieben von Markus Hofmann, Markus Hofmann ist diplomierter Sportwissenschaftler ETH und zertifizierter Strength & Conditioning Specialist (CSCS) mit 16 Jahren Erfahrung im Leistungskrafttraining. Er leitet seit acht Jahren die Kraft- und Konditionsabteilung eines Schweizer Profisport-Clubs mit über 80 Athleten und ist spezialisiert auf Periodisierung, Übungstechnik mit freien Gewichten und Verletzungsprävention durch funktionelles Training.