Veröffentlicht am Juli 11, 2024

Der Glaube, man müsse vor dem Wettkampf nur „positiv denken“, ist der grösste Saboteur Ihrer Leistung. Wahre mentale Stärke liegt in der gezielten Steuerung Ihres Nervensystems.

  • Erfolg im Wettkampf hängt nicht von der Abwesenheit negativer Gedanken ab, sondern von der Fähigkeit, trotz ihnen fokussiert zu bleiben.
  • Strukturierte Routinen vor dem Wettkampf kalibrieren Ihr Nervensystem und schalten vom Angst- in den Leistungsmodus um.

Empfehlung: Trainieren Sie die Akzeptanz von Druck und die bewusste Aktivierung Ihres Körpers, anstatt vergeblich nach perfekter innerer Ruhe zu streben.

Jeder Wettkampfsportler in der Schweiz kennt das Gefühl: Im Training werden Bestleistungen erzielt, die Technik sitzt perfekt, die Kraft ist da. Doch am Tag des Wettkampfs, wenn es darauf ankommt, blockiert etwas. Die Beine fühlen sich schwer an, der Kopf ist voller Zweifel und die über Monate aufgebaute Leistung scheint wie weggeblasen. Man greift zu den bekannten Ratschlägen: „Denk positiv!“, „Visualisiere den Sieg!“, „Atme einfach tief durch.“ Doch oft verstärken diese gut gemeinten Platitüden den inneren Druck nur, weil sie eine emotionale Perfektion verlangen, die im Angesicht des Wettkampfs unrealistisch ist.

Die moderne Sportpsychologie zeigt jedoch einen anderen, weitaus effektiveren Weg. Es geht nicht darum, negative Gedanken zwanghaft zu unterdrücken oder sich in einen künstlichen Zustand der Euphorie zu versetzen. Die wahre Revolution in der mentalen Vorbereitung liegt in einem tieferen Verständnis unseres Körpers: Es geht um die bewusste Kalibrierung des autonomen Nervensystems. Der Schlüssel zur Spitzenleistung unter Druck ist nicht die Eliminierung von Nervosität, sondern die Fähigkeit, sie zu kanalisieren und den Körper gezielt in einen Zustand optimaler Aktivierung zu versetzen – den „Wettkampfmodus“.

Dieser Artikel bricht mit den oberflächlichen Mythen der mentalen Vorbereitung. Anstatt Ihnen nur zu sagen, *was* Sie tun sollen, erklären wir Ihnen, *warum* diese Techniken auf neurobiologischer Ebene funktionieren. Wir werden die praxiserprobten Methoden der Profis entschlüsseln, von der Erstellung einer neurozentrierten Wettkampfroutine über die richtige Art der Visualisierung bis hin zur Simulation von Wettkampfdruck im Training. Sie werden lernen, wie Sie Ihre mentale Verfassung ebenso präzise trainieren wie Ihre Muskulatur und so die Lücke zwischen Ihrem Trainingspotenzial und Ihrer Wettkampfleistung nachhaltig schliessen.

Warum 90% der Top-Athleten mental trainieren und nicht nur auf Talent vertrauen?

Die Vorstellung, dass sportlicher Erfolg allein auf angeborenem Talent und körperlicher Überlegenheit beruht, ist ein hartnäckiger Mythos. Die Realität im modernen Spitzensport sieht anders aus: Die physische Leistungsdichte ist enorm hoch, und oft ist es die mentale Stärke, die über Sieg oder Niederlage entscheidet. Der Druck, die Erwartungen und die ständige Leistungsbeurteilung fordern einen hohen psychischen Tribut. Eine Studie in der Schweiz macht dies deutlich: Fast 34% der aktiven Athleten sind von Angststörungen und Depressionen betroffen. Diese Zahl zeigt, dass körperliche Fitness allein kein Schutzschild gegen mentale Belastungen ist.

Spitzenathleten haben erkannt, dass der Geist ebenso trainiert werden muss wie der Körper. Er ist keine feste Grösse, sondern eine formbare Fähigkeit. Das prominenteste Schweizer Beispiel hierfür ist Roger Federer. In den Anfängen seiner Karriere war er bekannt für seine Wutausbrüche und emotionalen Schwankungen auf dem Platz. Seine spätere, legendäre Gelassenheit und Fähigkeit, in den entscheidendsten Momenten sein bestes Tennis zu spielen, war kein Zufall. Sie war das Ergebnis jahrelangen, disziplinierten mentalen Trainings. Durch Techniken wie Visualisierung und die Regulation von Selbstgesprächen transformierte er eine seiner grössten Schwächen in seine ultimative Waffe.

Dieses systematische Training der Psyche ist heute kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit. Es ermöglicht Athleten, ihr volles Potenzial abzurufen, wenn es darauf ankommt, mit Rückschlägen umzugehen und die Freude am Sport trotz des immensen Drucks zu bewahren. Es ist die bewusste Entscheidung, nicht nur auf Talent zu hoffen, sondern die eigene Leistungsfähigkeit aktiv zu steuern.

Wie Sie eine 20-Minuten Wettkampfroutine kreieren die Ihr Nervensystem optimal aktiviert?

Eine Wettkampfroutine ist weit mehr als eine abergläubische Angewohnheit. Sie ist ein präzises neurobiologisches Werkzeug, um das Nervensystem vom potenziellen Angst- und Stressmodus (gesteuert durch die Amygdala) in einen Zustand fokussierter, hoher Leistungsbereitschaft (gesteuert durch den präfrontalen Kortex) zu überführen. Eine gut konzipierte, etwa 20-minütige Routine dient als verlässlicher Anker, der dem Gehirn signalisiert: „Es ist Zeit für den Wettkampf.“ Sie schafft Vorhersehbarkeit in einer unvorhersehbaren Umgebung und reduziert so die kognitive Last, sodass alle mentalen Ressourcen für die eigentliche Leistung zur Verfügung stehen.

Nahaufnahme eines fokussierten Athleten bei der mentalen Vorbereitung

Die Effektivität einer solchen Routine liegt in ihrer Struktur und den gezielt eingesetzten Elementen, die sowohl den Körper als auch den Geist aktivieren. Anstatt zufällige Übungen aneinanderzureihen, folgt eine professionelle Routine einem klaren Plan, der auf bewährten sportpsychologischen Methoden aufbaut. Jeder Schritt hat eine spezifische Funktion, von der klaren Zielsetzung bis zur körperlichen Aktivierung.

Ihr 20-Minuten-Aktivierungsplan für den Wettkampf

  1. Starke Entscheide treffen (ca. 3 Min.): Definieren Sie 1-2 klare, prozessorientierte Ziele für den Wettkampf (z.B. „Ich achte auf einen sauberen technischen Ablauf bei jedem Stoss“ anstatt „Ich will gewinnen“). Schreiben Sie sie auf.
  2. Mentales Skripting & Visualisierung (ca. 7 Min.): Schliessen Sie die Augen und spielen Sie eine Schlüsselszene des Wettkampfs mit allen Sinnen durch. Fühlen Sie die Bewegung, hören Sie die Geräusche, sehen Sie die Umgebung. Konzentrieren Sie sich auf das Gefühl einer gelungenen Ausführung.
  3. Selbstgesprächsregulation (ca. 2 Min.): Sprechen Sie Ihre positiven, aktivierenden Mantras oder Ankerwörter laut oder innerlich aus (z.B. „Fokus“, „Kraftvoll“, „Locker bleiben“).
  4. Körperliche Aktivierung (ca. 5 Min.): Führen Sie eine kurze progressive Muskelentspannung oder dynamische Dehnübungen durch. Spannen Sie gezielt Muskelgruppen für 5 Sekunden an und lassen Sie sie wieder los, um den Körper zu „wecken“.
  5. Mentale Verpflegungsposten (ca. 3 Min.): Planen Sie 1-2 feste Momente während des Wettkampfs (z.B. in einer Pause, nach einem Punktverlust), in denen Sie kurz innehalten, tief durchatmen und Ihr Ankerwort wiederholen.

Wann startet die optimale Wettkampfvorbereitung: Der 3-Phasen-Countdown?

Mentale Wettkampfvorbereitung ist kein Schalter, der erst am Wettkampftag umgelegt wird. Sie ist ein strategischer Prozess, der, ähnlich dem körperlichen Training, in Phasen verläuft. Wer erst kurz vor dem Startschuss versucht, sich mental zu wappnen, überfordert sein System und greift auf unzuverlässige Notfallmechanismen zurück. Eine professionelle Vorbereitung folgt einem logischen Countdown, der sicherstellt, dass die mentalen Werkzeuge nicht nur bekannt, sondern tief verankert und im entscheidenden Moment abrufbar sind. Diese Periodisierung ist entscheidend, um Überlastung zu vermeiden und die mentale Form auf den Punkt genau aufzubauen.

Insbesondere in der Vergangenheit lag der Fokus vorrangig auf körperlicher Leistungsfähigkeit. Den Einfluss der Sportpsychologie habe man erst später erkannt.

– Michael Liebrenz, Universität Bern / SRF

Die Erkenntnis, dass die Psyche eine trainierbare Komponente der Leistung ist, hat zu strukturierten Modellen geführt. Die mentale Vorbereitung lässt sich typischerweise in drei Phasen unterteilen, wie eine Analyse von Sport-Mental-Coaches in der Schweiz zeigt. Jede Phase hat einen spezifischen Fokus und Zeitrahmen, um eine systematische Entwicklung der mentalen Stärke zu gewährleisten.

Die 3 Phasen der mentalen Wettkampfvorbereitung
Phase Zeitraum Mentale Schwerpunkte
Phase 1: Langfristvorbereitung 4-8 Wochen vorher Grundlegende mentale Tools einüben (Atmung, Visualisierung, Selbstgespräch) und eine solide Basis schaffen.
Phase 2: Mittelfristvorbereitung 1-2 Wochen vorher Wettkampfspezifische mentale Routinen festlegen und diese im Training unter simulierten Druckbedingungen testen.
Phase 3: Unmittelbare Vorbereitung Wettkampftag Aktivierung und konsequente Anwendung der eingeübten mentalen Routinen, um den optimalen Leistungszustand zu erreichen.

Der Fehler den 70% beim Visualisieren machen und der Druck statt Entspannung erzeugt?

Der häufigste Fehler beim Visualisieren ist die Jagd nach einem perfekten, makellosen mentalen Film. Athleten versuchen, sich einen fehlerfreien Wettkampf vorzustellen, in dem alles glattläuft und sie sich durchgehend stark und selbstsicher fühlen. Das Problem: Diese Art der Visualisierung schafft eine unrealistische Erwartungshaltung. Sobald im realen Wettkampf die erste kleine Unregelmässigkeit, der erste Fehler oder das erste Anzeichen von Nervosität auftritt, bricht dieser mentale Idealzustand zusammen. Die Diskrepanz zwischen der perfekten Vorstellung und der unvollkommenen Realität erzeugt massiven kognitiven Druck und führt oft zu einer „Jetzt-erst-recht“-Verkrampfung oder zu Resignation.

Erfolgreiche Visualisierung bedeutet nicht, Negativität auszublenden, sondern sie zu integrieren. Es geht darum, die Akzeptanz von Herausforderungen und unliebsamen Gefühlen mit zu trainieren. Roger Federer beschrieb beispielsweise, wie er vor dem Finale der Australian Open 2018 von extremer Nervosität geplagt war und während des Matches „negative Denkprozesse“ hatte. Anstatt dagegen anzukämpfen, akzeptierte er diese Gefühle als Teil des Wettkampfs und fokussierte sich auf seine nächste Aufgabe. Er gewann das Match. Dieser Ansatz des „Coping Rehearsal“ (Bewältigungs-Training) ist weitaus robuster: Man stellt sich vor, wie man auf einen Fehler reagiert, wie man sich nach einem Rückstand wieder fängt und trotz Nervosität die nächste Aktion sauber ausführt.

Die Besessenheit von Perfektion ist ohnehin eine Illusion. Eine erstaunliche Statistik über Roger Federer belegt dies eindrücklich: Über seine gesamte Karriere hinweg gewann er nur 54% aller gespielten Punkte, aber 80% seiner Matches. Das zeigt, dass es nicht darum geht, jeden einzelnen Punkt perfekt zu spielen, sondern darum, die entscheidenden Momente für sich zu entscheiden und nach Fehlern mental stabil zu bleiben. Effektive Visualisierung bereitet genau darauf vor.

Wie Sie mit der 5-4-3-2-1 Methode Panikgedanken in Wettkampfmodus umwandeln?

In Momenten akuter Nervosität oder aufkommender Panik – sei es kurz vor dem Start, in einer entscheidenden Spielphase oder nach einem Fehler – verengt sich unsere Wahrnehmung. Das Gehirn schaltet in den Überlebensmodus, der Fokus richtet sich nach innen auf negative Gedanken und körperliche Stresssymptome („Herzrasen, zittrige Hände“). Die 5-4-3-2-1-Methode ist ein extrem wirksamer kognitiver Anker, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Sie zwingt das Gehirn, den Fokus von der inneren Katastrophenerzählung auf die äussere, neutrale Realität zu lenken. Dieser absichtliche Wechsel der Aufmerksamkeit unterbricht die Stressspirale und gibt Ihnen die Kontrolle über Ihre Wahrnehmung zurück.

Die Technik funktioniert, weil sie auf einfachen sensorischen Reizen basiert und keine komplexe kognitive Leistung erfordert, die unter hohem Druck oft nicht mehr möglich ist. Sie erdet Sie im Hier und Jetzt und signalisiert Ihrem Nervensystem, dass keine unmittelbare Lebensgefahr besteht. Sie verlagern Ihre mentale Energie von der Analyse des Problems („Warum bin ich so nervös?“) zur einfachen Beobachtung der Umgebung. Dies beruhigt die Amygdala, das Angstzentrum des Gehirns, und ermöglicht es dem präfrontalen Kortex, wieder die Führung zu übernehmen.

Hier sind die konkreten Schritte, um die Methode in jeder Drucksituation anzuwenden:

  1. Nennen Sie 5 Dinge, die Sie sehen: Richten Sie Ihren Blick bewusst auf fünf neutrale Objekte in Ihrer Umgebung. Benennen Sie sie innerlich: die Startlinie, die Farbe der Tribüne, ein Wassertropfen auf Ihrer Flasche, die Nähte an Ihrem Handschuh, ein Kamerastativ.
  2. Spüren Sie 4 Dinge, die Sie fühlen: Verlagern Sie Ihre Aufmerksamkeit auf körperliche Empfindungen. Spüren Sie den Stoff Ihrer Kleidung auf der Haut, den Boden unter Ihren Füssen, den Griff Ihres Schlägers in der Hand, den leichten Wind im Gesicht.
  3. Hören Sie 3 Dinge, die Sie hören: Konzentrieren Sie sich auf die Geräuschkulisse. Identifizieren Sie drei verschiedene Geräusche: das Murmeln des Publikums, Ihre eigene Atmung, die Ansage des Sprechers.
  4. Schmecken Sie 2 Dinge: Nehmen Sie den Geschmack Ihres Sportgetränks wahr oder rufen Sie sich den Geschmack eines Kaugummis in Erinnerung. Alternativ können Sie auch zwei Ihrer mentalen Ankerwörter wiederholen.
  5. Riechen Sie 1 Ding: Atmen Sie tief durch die Nase ein und konzentrieren Sie sich auf einen Geruch: die frische Luft, den Geruch des Rasens oder des Chlors im Schwimmbad.
Makroaufnahme von Sportausrüstung mit Fokus auf Texturen und Details

Wie Sie mit 4 Trainingstechniken Wettkampfdruck im Alltag nachstellen?

Die beste mentale Routine nützt wenig, wenn sie nur bei schönem Wetter im Training geübt wird. Um im Wettkampf wirklich druckresistent zu sein, muss das Gehirn lernen, auch unter widrigen Umständen zu funktionieren. Das Prinzip nennt sich Druck-Simulation oder „Stress-Inokulation“: Man setzt sich im Training gezielt dosierten Stressoren aus, um die eigene Toleranzschwelle zu erhöhen. Wenn das Gehirn bereits gelernt hat, unter Belastung konzentriert zu bleiben, wird es im echten Wettkampf nicht mehr so schnell in den Panikmodus verfallen. Es geht darum, die Komfortzone im Training systematisch zu verlassen.

Erfolgreiche Athleten integrieren solche Herausforderungen bewusst in ihren Trainingsplan. Sie trainieren nicht nur, wenn sie frisch und motiviert sind, sondern auch, wenn sie müde sind oder die Bedingungen nicht optimal sind. Dies schult die Fähigkeit, auch dann Leistung zu bringen, wenn nicht alles perfekt ist – eine Situation, die im Wettkampfalltag die Regel ist. Hier sind vier praxiserprobte Techniken, um Wettkampfdruck im Training zu simulieren:

  • 1. Training unter Ermüdung: Absolvieren Sie eine technisch anspruchsvolle Trainingseinheit bewusst am Ende eines langen Arbeitstages oder nach einer anstrengenden physischen Belastung. Dies simuliert die mentale und körperliche Erschöpfung in der Endphase eines Wettkampfs.
  • 2. Kognitive Doppelbelastung: Kombinieren Sie physische Übungen mit kognitiven Aufgaben. Lösen Sie beispielsweise während einer Ausdauereinheit einfache Rechenaufgaben im Kopf oder zählen Sie von 100 in 7er-Schritten rückwärts. Dies trainiert die Konzentrationsfähigkeit unter Ablenkung.
  • 3. Sozialen Druck erzeugen: Führen Sie entscheidende Teile Ihres Trainings vor Zuschauern durch – laden Sie Freunde, Familie oder Trainingskollegen ein. Vereinbaren Sie kleine Wetten oder Konsequenzen für das Erreichen oder Verfehlen von Zielen mit einem Trainingspartner.
  • 4. Konsequenzen-Training: Definieren Sie klare Konsequenzen für bestimmte Leistungen im Training. Beispiel für einen Schützen: Jeder Fehlschuss bedeutet 10 Liegestütze. Dies erhöht die Bedeutung jeder einzelnen Aktion, genau wie im Wettkampf.

Durch die regelmässige Anwendung dieser Methoden wird Druck vom unkontrollierbaren Feind zum kalkulierbaren Trainingspartner. Sie lernen, Unbehagen als Signal für Wachstum zu interpretieren und nicht als Vorboten des Scheiterns.

Warum macht Ihr Handy zwischen den Sätzen Ihr Training um die Hälfte weniger effektiv?

In den Pausen zwischen den Trainingssätzen zum Smartphone zu greifen, ist für viele Athleten zur Gewohnheit geworden. Es scheint harmlos, kurz die Nachrichten zu checken oder durch Social Media zu scrollen. Aus neurobiologischer Sicht ist dies jedoch ein Sabotageakt an der eigenen Leistungsentwicklung. Effektives Training erfordert nicht nur körperliche Anstrengung, sondern auch Phasen hochkonzentrierten Fokus. Jedes Mal, wenn Sie auf Ihr Handy schauen, reissen Sie Ihr Gehirn aus diesem Zustand der tiefen Konzentration heraus.

Der schnelle Wechsel zwischen Trainingsbelastung und der Flut an Reizen auf dem Bildschirm führt zu einer fragmentierten Aufmerksamkeit. Ihr Gehirn erhält einen Schwall von „billigem“ Dopamin durch die Benachrichtigungen und neuen Inhalte, was die Fähigkeit untergräbt, sich auf die anspruchsvollere, aber für den Lernprozess essenzielle Aufgabe des Trainings zu konzentrieren. Die mentalen Ressourcen, die für die Analyse der letzten Bewegung, die Planung des nächsten Satzes oder die bewusste Wahrnehmung der körperlichen Signale benötigt werden, werden stattdessen für die Verarbeitung irrelevanter Informationen verbraucht. Die Folge: Die Qualität des Trainings sinkt, motorische Lernprozesse werden gestört und die mentale Ausdauer wird geschwächt.

Heute kann ich meinen Fokus optimal auf das Wesentliche richten und verschwende keine Energie mehr an negative Gedanken. Diese Fähigkeit zur Konzentration hat meine sportlichen Erfolge signifikant verbessert. Die Teilnahme an einer Berglauf-Weltmeisterschaft wäre ohne diese mentale Unterstützung kaum denkbar.

– Erfahrung eines Schweizer Trail-Läufers, Mental Top

Die Pausen zwischen den Sätzen sind keine leere Zeit, sondern ein aktiver Teil des Trainings. Sie dienen der Regeneration, aber auch der mentalen Verarbeitung und Vorbereitung. Nutzen Sie diese Zeit, um Ihre Atmung zu regulieren, den letzten Satz zu reflektieren und sich auf den nächsten zu fokussieren. Lassen Sie das Handy in der Tasche. Diese bewusste Entscheidung für den Fokus ist ein Training für sich – ein Training, das sich direkt auf Ihre Fähigkeit auswirkt, auch im Wettkampf Ablenkungen auszublenden und präsent zu bleiben.

Das Wichtigste in Kürze

  • Mentale Stärke ist keine angeborene Eigenschaft, sondern das Ergebnis systematischen Trainings des Nervensystems.
  • Akzeptanz statt Unterdrückung: Erfolgreiche Athleten kämpfen nicht gegen Nervosität an, sondern lernen, trotz ihr zu leisten.
  • Drucksimulation im Training ist der Schlüssel, um Wettkampfsituationen vom Stressor zur beherrschbaren Herausforderung zu machen.

Wie Sie durch sportliche Herausforderungen Ihre Lebensresilienz nachhaltig stärken?

Die im Sport erlernten mentalen Fähigkeiten sind weit mehr als nur Werkzeuge zur Leistungssteigerung. Sie sind trainierbare Kompetenzen, die eine tiefgreifende und nachhaltige Wirkung auf alle Lebensbereiche haben. Die Fähigkeit, unter Druck einen klaren Kopf zu bewahren, mit Rückschlägen konstruktiv umzugehen, sich auf ein Ziel zu fokussieren und trotz Unbehagen durchzuhalten, ist die Essenz von Resilienz. Der Sport fungiert hierbei als ein ideales Trainingsfeld – ein Mikrokosmos, in dem Herausforderungen, Erfolge und Misserfolge in schneller Abfolge erlebt und verarbeitet werden können.

Dieser Transfer von sportpsychologischen Methoden in andere Lebensbereiche wird zunehmend auch von Unternehmen in der Schweiz erkannt und genutzt. Ein eindrückliches Beispiel ist eine nationale Schweizer Versicherung, die mentale Trainingsmethoden aus dem Spitzensport in das Ausbildungsprogramm für ihre kaufmännischen Lernenden integrierte. Die jungen Berufsleute lernten, mit Prüfungsdruck umzugehen, ihre Zielvorgaben im kompetitiven Marktumfeld zu erreichen und auch nach Misserfolgen motiviert zu bleiben. Die im Sport bewährten Techniken zur Zielsetzung, Visualisierung und Stressregulation erwiesen sich als direkt anwendbar auf die Herausforderungen des Berufsalltags.

Jeder gemeisterte Wettkampf, jeder verarbeitete Rückschlag und jede bewältigte Drucksituation im Sport stärkt die Überzeugung der eigenen Selbstwirksamkeit. Man lernt, dass man die Fähigkeit besitzt, schwierige Situationen aus eigener Kraft zu meistern. Diese Erfahrung schafft ein robustes mentales Fundament, das auch bei beruflichen Krisen, persönlichen Herausforderungen oder in stressigen Prüfungsphasen trägt. Die Professionalisierung dieses Bereichs ist in der Schweiz weit fortgeschritten; eine Studie zeigt, dass bereits 63% der Sportpsychologen in der Schweiz in privater Praxis arbeiten, was die hohe Nachfrage und Verfügbarkeit dieser Expertise unterstreicht.

Beginnen Sie noch heute damit, diese Techniken nicht nur als Wettkampfvorbereitung, sondern als Training für Ihre gesamte Lebensresilienz zu sehen. Der erste Schritt ist eine ehrliche Analyse Ihrer aktuellen mentalen Routinen und die bewusste Entscheidung, Ihre psychische Stärke ebenso systematisch aufzubauen wie Ihre körperliche Fitness.

Fragen und Antworten zur mentalen Wettkampfvorbereitung

Warum ist es wichtig, Wettkampfdruck im Training zu simulieren?

Wenn das Gehirn bereits an Drucksituationen gewöhnt ist, kann es im echten Wettkampf besser mit Stress umgehen und unentdeckte Reserven freisetzen. Diese „Stress-Inokulation“ erhöht die mentale Robustheit und reduziert die Wahrscheinlichkeit von Panikreaktionen.

Welche sozialen Druckelemente kann ich einbauen?

Sozialer Druck ist ein starker Stressor. Sie können ihn simulieren, indem Sie wichtige Trainingseinheiten vor Zuschauern (Freunden, Familie, Teamkollegen) absolvieren. Eine weitere effektive Methode ist, kleine interne Wetten oder Herausforderungen mit Trainingspartnern abzuschliessen, bei denen ein kleiner Einsatz auf dem Spiel steht.

Wie nutze ich kognitive Belastung als Trainingsmittel?

Kognitive Belastung zwingt Ihr Gehirn, auch unter Anstrengung fokussiert zu bleiben. Lösen Sie während einer physischen Übung gleichzeitig mentale Aufgaben, wie zum Beispiel im Kopf rückwärts zu zählen, komplexe Bewegungsabläufe zu memorieren oder einfache Rechenaufgaben zu lösen. Dies schult die Fähigkeit, die Konzentration trotz innerer und äusserer Ablenkungen aufrechtzuerhalten.

Geschrieben von Dr. Sarah Brunner, Dr. Sarah Brunner ist diplomierte Sportpsychologin FSP seit 14 Jahren, spezialisiert auf Wettkampfvorbereitung und mentale Resilienz. Sie promovierte an der Universität Bern über Druckbewältigung bei Leistungssportlern und betreut derzeit als leitende Psychologin am Schweizer Olympischen Trainingszentrum in Magglingen nationale Kaderathleten aus verschiedenen Disziplinen.